Neue Rezension über Sigrun Höllrigl Roman “Das Lager”
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Von Lisa Goldt am 16. April 2017
Vielleicht war die Geschichte so: Der Bibliothekar Paul Friess, ein antriebsloser Enddreißiger, erzählt, dass er in eine unwirtlichen Gebirgsgegend entführt worden ist. In einem Lager hätte man ihn und offenbar andere Gefangene grundlos fest gehalten. Als eines Tages die Zimmertür offen steht, gelingt es ihm aus dem Gebäudkomplex zu fliehen. Niemand daheim glaubt ihm seine Geschichte. Auf der Suche nach der Wahrheit gerät sein ohnehin belangloses Leben immer mehr aus den Fugen. „Was geschah, bleibt rätselhaft“, muss Friess am Ende feststellen. In einer sprachlich knappen, und einem dramaturgisch raffinierten Gefüge entfaltet Sigrun Höllrigl in ihrem Buch ein Erzählgebilde, das einen als Leser auf viele Spuren zu locken versteht. Anfangs liest sich der in Absätze zerteilte und mit lyrischen Einsprengseln verflochtene Text wie ein Politroman. Ein diktatorisches Regime sperrt offenbar Menschen ein. Es geht um Armut, Korruption und die Lügen der Politiker. Zurück in seiner verblüffend wohlhabenden und friedlichen Heimatstadt westlicher Couleur berichtet Friess von seinen verschiedenen Therapien, mit denen er sein Trauma zu bewältigen versucht. Der Ton wechselt gleitend zu einem Psychothriller mit echten oder eingebildeten Machenschaften von Einzelpersonen und subversiven Verschwörungen. Statt einer Aufklärung seines Erlebnisses werden die Erklärungen und Deutungen mit zunehmendem Handlungspersonal immer bizarrer, beziehungsweise nach psychiatrischen Beurteilungen immer eindeutiger.
Der Roman ist sprachlich schlank gehalten und entfaltet sich zusätzlich auf Ebenen wie Tagebucheinträgen, Erörterungen und emotionalen Aufschreien, die den kaleidoskopischen Seelenzustand der Hauptfigur widerspiegeln. Wenn man glaubt aus den Einzelinformationen ein schlüssiges Gebilde gefunden zu haben, sieht sich besonders ein herkömmlicher Krimileser auf der Suche nach klassischen Indizien permanent von der Autorin subtil in eine Falle gelockt. Dass dies spannend bleibt hängt mit der Balance zusammen, in der kafkaeske Kulissenhaftigkeit auf kriminalistischen Suspense eines Martin Suter zu einem ungeschwätzigen Text von knapp über zweihundert Seiten gestaltet sind. Eine außergewöhnliche Romanfusion, die trotz des unüberhörbaren politischen Grundtons zu den krisenhaften Zügen der Gegenwart als raffinierter Thriller zu fesseln versteht.
Kathrin Schwedler, Wiesbadener Kurier