Vielleicht war die Geschichte so: Der Bibliothekar Paul Friess, ein antriebsloser Enddreißiger, erzählt, dass er in eine unwirtlichen Gebirgsgegend entführt worden ist. In einem Lager hätte man ihn und offenbar andere Gefangene grundlos fest gehalten. Als eines Tages die Zimmertür offen steht, gelingt es ihm aus dem Gebäudkomplex zu fliehen. Niemand daheim glaubt ihm seine Geschichte. Auf der Suche nach der Wahrheit gerät sein ohnehin belangloses Leben immer mehr aus den Fugen. „Was geschah, bleibt rätselhaft“, muss Friess am Ende feststellen. In einer sprachlich knappen, und einem dramaturgisch raffinierten Gefüge entfaltet Sigrun Höllrigl in ihrem Buch ein Erzählgebilde, das einen als Leser auf viele Spuren zu locken versteht. Anfangs liest sich der in Absätze zerteilte und mit lyrischen Einsprengseln verflochtene Text wie ein Politroman. Ein diktatorisches Regime sperrt offenbar Menschen ein. Es geht um Armut, Korruption und die Lügen der Politiker. Zurück in seiner verblüffend wohlhabenden und friedlichen Heimatstadt westlicher Couleur berichtet Friess von seinen verschiedenen Therapien, mit denen er sein Trauma zu bewältigen versucht. Der Ton wechselt gleitend zu einem Psychothriller mit echten oder eingebildeten Machenschaften von Einzelpersonen und subversiven Verschwörungen. Statt einer Aufklärung seines Erlebnisses werden die Erklärungen und Deutungen mit zunehmendem Handlungspersonal immer bizarrer, beziehungsweise nach psychiatrischen Beurteilungen immer eindeutiger.
Der Roman ist sprachlich schlank gehalten und entfaltet sich zusätzlich auf Ebenen wie Tagebucheinträgen, Erörterungen und emotionalen Aufschreien, die den kaleidoskopischen Seelenzustand der Hauptfigur widerspiegeln. Wenn man glaubt aus den Einzelinformationen ein schlüssiges Gebilde gefunden zu haben, sieht sich besonders ein herkömmlicher Krimileser auf der Suche nach klassischen Indizien permanent von der Autorin subtil in eine Falle gelockt. Dass dies spannend bleibt hängt mit der Balance zusammen, in der kafkaeske Kulissenhaftigkeit auf kriminalistischen Suspense eines Martin Suter zu einem ungeschwätzigen Text von knapp über zweihundert Seiten gestaltet sind. Eine außergewöhnliche Romanfusion, die trotz des unüberhörbaren politischen Grundtons zu den krisenhaften Zügen der Gegenwart als raffinierter Thriller zu fesseln versteht.
Poesie-Nacht mit Lesungen, Kurzfilmen, Musik: 24. Mai 2017, 19.30 Uhr, Literaturhaus Salzburg
Mit: Margret Kreidl, Elke Laznia, Dalibor Markovic, Gina Matiello, Leonard Nolens, Tom Schulz & Katrin Hammerschmid und Poesiefilmen von Art Visuals & Poetry
Poesie bezeichnet nicht nur eine bestimmte Textgattung, im übertragenen Sinn steht der Begriff für eine bestimmte Qualität. So versteht man etwa unter einem „poetischen Film“ ein Werk, das sich der Alltagssprache entzieht und eine besondere, tiefere, stillere Wirkung entfaltet, die über den Verstand hinaus die Gefühlsebene anspricht. In der Poesie-Nacht 2017 passiert genau das – in AutorInnen-Lesungen, Musik und erstmals mit Kurzfilmen.
Die Poetry-Filme stammen aus der Selektion ON TOUR des Art Visuals & Poetry Film Festival Vienna 2015. Sigrun Höllrigl schreibt alle zwei Jahre internationale Poesiefilm-Wettbewerbe aus. Die besten Filme werden im Rahmen des 3-tägigen Wiener Poetry Film Festivals präsentiert, ausgezeichnet und gehen auf Tour. Neben Rom, dem Künstlerhaus Wien und dem dotdotdot Sommerkino ist nun eine Auswahl bei der diesjährigen Poesie-Nacht in Salzburg zu sehen. Gezeigt werden Kurzfilme von Rüdiger Rohde, Clara Wieck, Deborah Uhde, Valerie Fritsch/Matthias Zuder und Hanna Thomschke.
Neben ZEBRA (Berlin/Münster) hat sich Weimar als neues Zentrum des Poesiefilms etabliert. Als Kuratorin und Podiumsgesprächsteilnehmerin wird Sigrun Höllrigl am 18.-20. Mai 3017 an internationalen Gesprächsrunden zum Poetry Film teilnehmen. Der Poetry Film Preis Weimar findet im Rahmen des backup Film Festivals der Bauhaus Universität Weimar statt.
Von Lisa Goldt am 16. April 2017
Vielleicht war die Geschichte so: Der Bibliothekar Paul Friess, ein antriebsloser Enddreißiger, erzählt, dass er in eine unwirtlichen Gebirgsgegend entführt worden ist. In einem Lager hätte man ihn und offenbar andere Gefangene grundlos fest gehalten. Als eines Tages die Zimmertür offen steht, gelingt es ihm aus dem Gebäudkomplex zu fliehen. Niemand daheim glaubt ihm seine Geschichte. Auf der Suche nach der Wahrheit gerät sein ohnehin belangloses Leben immer mehr aus den Fugen. „Was geschah, bleibt rätselhaft“, muss Friess am Ende feststellen. In einer sprachlich knappen, und einem dramaturgisch raffinierten Gefüge entfaltet Sigrun Höllrigl in ihrem Buch ein Erzählgebilde, das einen als Leser auf viele Spuren zu locken versteht. Anfangs liest sich der in Absätze zerteilte und mit lyrischen Einsprengseln verflochtene Text wie ein Politroman. Ein diktatorisches Regime sperrt offenbar Menschen ein. Es geht um Armut, Korruption und die Lügen der Politiker. Zurück in seiner verblüffend wohlhabenden und friedlichen Heimatstadt westlicher Couleur berichtet Friess von seinen verschiedenen Therapien, mit denen er sein Trauma zu bewältigen versucht. Der Ton wechselt gleitend zu einem Psychothriller mit echten oder eingebildeten Machenschaften von Einzelpersonen und subversiven Verschwörungen. Statt einer Aufklärung seines Erlebnisses werden die Erklärungen und Deutungen mit zunehmendem Handlungspersonal immer bizarrer, beziehungsweise nach psychiatrischen Beurteilungen immer eindeutiger.
Der Roman ist sprachlich schlank gehalten und entfaltet sich zusätzlich auf Ebenen wie Tagebucheinträgen, Erörterungen und emotionalen Aufschreien, die den kaleidoskopischen Seelenzustand der Hauptfigur widerspiegeln. Wenn man glaubt aus den Einzelinformationen ein schlüssiges Gebilde gefunden zu haben, sieht sich besonders ein herkömmlicher Krimileser auf der Suche nach klassischen Indizien permanent von der Autorin subtil in eine Falle gelockt. Dass dies spannend bleibt hängt mit der Balance zusammen, in der kafkaeske Kulissenhaftigkeit auf kriminalistischen Suspense eines Martin Suter zu einem ungeschwätzigen Text von knapp über zweihundert Seiten gestaltet sind. Eine außergewöhnliche Romanfusion, die trotz des unüberhörbaren politischen Grundtons zu den krisenhaften Zügen der Gegenwart als raffinierter Thriller zu fesseln versteht.
Kathrin Schwedler, Wiesbadener Kurier